äglich werden wir in den Medien mit Gewalt gegen Frauen und Mädchen konfrontiert. Oft sind es Berichte auf fernen Ländern wie der Zentralafrikanischen Republik, in denen Vergewaltigung als Kriegswaffe und die Zwangsheirat zur Tagesordnung gehören. Andere dramatische Geschichten lesen und hören wir aus Afghanistan, Jemen, Syrien, Niger oder den Staaten Lateinamerikas. Hierbei vergessen wir sehr schnell, dass auch in Deutschland die Gewalt gegen Frauen und Mädchen ein bedeutsames Thema ist und die Zunahme von Verbrechen in diesem Bereich nicht wegzudiskutieren sind.
Deutschland und Gewalt gegen Frauen: es darf kein Tabuthema sein
Erst im Oktober 2022 kritisierte der Europarat, dass es in Deutschland „gravierende Defizite beim Schutz von Frauen vor Gewalt gibt. Die Organisation fordert unter anderem den Ausbau von Beratungsstellen und Frauenhäusern.“ Für eines der reichsten und fortschrittliches Ländern der Welt, ist dies ein Armutszeugnis. Noch unbegreiflicher wird dieser Zustand durch die Tatsache, dass bereits seit Jahrzehnten drastische Defizite in puncto Frauenhaus, Betreuung nach einer Vergewaltigung und Aufklärung über häusliche Gewalt bekannt sind.
Allzu häufig werden Themen wie diese jedoch in die Ecke gedrängt. Sie gelten als Tabuthema, um das sich doch nur überspannte Emanzen kümmern.
Diese Abwertung ist falsch und gefährlich. Geht es um Feminismus, geht es um Mann und Frau. Im Fokus steht ein friedvolles und respektvolles Zusammenleben auf Augenhöhe – in Anbetracht aller geschlechterspezifischen Unterschiede, die unbestreitbar existieren.
Von einer Abnahme der Gewalt gegen Frauen in Deutschland profitieren nicht nur die Frauen und Mädchen selbst, sondern die Gesellschaft an sich.
Gleichzeitig ist es der beste Schutz vor dem von Männern so beklagten Hembrismus - dem weiblichen Pendant zum Machismus und damit einem Überlegenheitsgefühl gegenüber dem männlichen Geschlecht.
Wieso häufig die Gewalt gegen Frauen in Deutschland als Tabuthema angesehen wird, hat unterschiedliche Ursachen. Hier nur ein paar Beispiele:
- Den Opfern ist ihr Leid peinlich, weswegen die Dunkelziffer hoch ist.
- Den Opfern wird eine Mitschuld gegeben.
- Männer (auch Nicht-Täter) fühlen sich schnell unter Generalverdacht gestellt.
- Die Propagierung eines „falschen“ Feminismus.
- Die Täter stammen oft aus dem direkten Umfeld.
- Es besteht kein Handlungsdruck seitens der Politiker.
- Ein nicht unerheblicher Teil der Täter hat einen Migrationshintergrund, wodurch das Thema für Politiker noch unangenehmer wird.
Gewalt gegen Frauen verletzt die Menschenrechte
Unzweifelhaft verletzt die Gewalt gegen Frauen grundlegende Menschenrechte wie „das Recht auf physische und psychische Unversehrtheit, das Recht auf Freiheit und Sicherheit, das Recht auf Gesundheit, das Recht auf Freiheit vor Folter oder anderer erniedrigender Behandlung – und nicht selten das Recht auf Leben.“ Somit ist es einmal mehr erforderlich, für diese Thematik das Bewusstsein zu wecken.
An dieser Stelle sei verdeutlicht, dass die Menschenrechte seit Dezember 1984 existieren. Wie mangelhaft sie in Deutschland umgesetzt werden, ist am Beispiel der Vergewaltigung in der Ehe zu erkennen. Bis zum 15. Mai 1997 existierte diese Tat juristisch nicht. Der Ehemann ging somit komplett straffrei aus. Erst auf Drängen von Menschen- und Frauenrechtsorganisationen sowie Rechtsexperten wurde letztlich diese Form der Vergewaltigung als Verbrechen bewertet.
Und heute? Weiterhin bestehen in einigen Bereichen des Lebens erhebliche Mängel, wenn es um die Unversehrtheit der Frau geht. Als Beispiel sei auch hier Gewalt aus ihrem nächsten Umfeld zu nennen, die am häufigsten auftritt.
Im Unterschied zu vielen anderen Ländern gibt es per Gesetz nicht den Tatbestand des Femizids. Bringt ein Ehemann seine Frau aus Verlustangst oder Eifersucht um, erhält er in der Regel mildernde Umstände.
Rechtsexperten und Angehörige plädieren daher dafür, dass es öfter zu einer Anklage wegen Mordes kommen müsste. Wie sich das gesetzlich verankern lässt, wird derzeit heiß diskutiert. Eine Möglichkeit wäre, den Handlungsspielraum des Richters zu erweitern. Andere fordern, die tödliche Gewalt gegen eine Frau zu einem selbständigen Straftatbestand zu machen – dem Femizid. Ob dies etwas ändern würde, bleibt fraglich. Letztlich zählt die Umsetzung durch die ausführenden Organe.
Ein paar Fakten zum Missstand in Deutschland
Die Gewalt gegen Frauen in Deutschland in Form von Freiheitsberaubung, körperlicher und psychischer Gewalt, sexueller Belästigung bis hin zur Vergewaltigung und Tötung ist angestiegen. Die Statistiken offenbaren:
- Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau ermordet, weil sie eine Frau ist.
- Jede dritte Frau in Deutschland wird mindestens einmal in ihrem Leben ein Opfer von sexualisierter oder körperlicher Gewalt.
- Jede vierte Frau in Deutschland ist mindestens einmal in ihrem Leben von sexualisierter oder körperlicher Gewalt betroffen, die von ihrem Ex-Partner oder ihrem aktuellen Partner erfolgt.
- Die Polizei schätzt, dass 98 % aller Prostituierten ihrem Beruf nicht freiwillig nachgehen, sondern Sexsklavinnen sind.
- Nur geschätzte 15 % aller Vergewaltigungen zeigen Frauen in Deutschland an.
- Statistisch gesehen ist die lebensbedrohlichste Situation einer Frau in Deutschland, wenn sie sich von ihrem Partner trennt.
- In Deutschland gibt es weniger als 200 Frauenhäuser. Demgegenüber stehen knapp 150.000 Fälle von häuslicher Gewalt jährlich.
Alle sind gefragt
Um Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu reduzieren, sind alle Geschlechter gefragt. Es reicht nicht aus, den Betroffenen Zuflucht im Frauenhaus zu bieten, obgleich dies eine unerlässliche Maßnahme ist. Noch wichtiger ist, Vorsorge zu treffen und Aufklärungsmaßnahmen zu schalten. Hierbei sollten Einwürfe wie „es gibt auch Gewalt gegen Männer“, „nicht alle Männer sind Täter“ oder „gerade im Sexualrecht kommt es zu Verleumdungen“ außen vor bleiben. Sie stimmen zwar, aber sind für die weitere Diskussion nicht zielführend, denn die Gewalt gegen Frauen lässt sich nicht wegdiskutieren und ist ein Thema.
Bei Maßnahmen gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen geht es nicht darum, gegen die Männer zu arbeiten. Vielmehr sollten sie mit an Bord sein und sich für ein gewaltfreies Miteinander starkmachen.
Das beginnt bereits im Kleinen: Kneift der Freund in der Kneipe der Kellnerin in den Po, ist dies nicht witzig. Wird eine Frau in der U-Bahn sexuell bedrängt, ist ein helfendes Einschreiten gefragt. Und auch die Frauen selbst sollten Abstand von archaischen Mustern nehmen. Hiermit ist nicht gemeint, sich von der Rolle als Mutter oder Hausfrau zu distanzieren. Es sollte jedem freistehen, diese auszuüben. Es bedeutet vielmehr, die Gleichstellung der Frau einzufordern, ohne dabei das männliche Geschlecht als minderwertig zu erachten. Mütter sind angehalten, ihren Söhnen nicht ein „feindliches“ Frauenbild zu vermitteln. Die gleiche Aufgabe kommt den Vätern zu. Sex als Waffe im Büro einzusetzen, ist ebenfalls für ein gerechtes Frauenbild kontraproduktiv und gleicht einer Selbstdegradierung.
Ein aufrichtiger Respekt ist für all dies das Schlüsselwort. Letztlich sind wir alle „nur“ Menschen, die ein Recht auf die Menschenrechte haben. Jeder von uns steht damit in der Pflicht, diese selbst zu beachten und für sich geltend zu machen.
Laut Umfrage sind 90 Prozent der Menschen nicht in der Lage, mehr als drei ihrer 30 Menschenrechte zu benennen. 👉 𝗦𝘁𝗮𝗿𝘁𝗲 𝗷𝗲𝘁𝘇𝘁 𝗱𝗮𝗺𝗶𝘁, 𝗗𝗲𝗶𝗻𝗲 𝗥𝗲𝗰𝗵𝘁𝗲 𝗮𝗹𝘀 𝗠𝗲𝗻𝘀𝗰𝗵 𝘇𝘂 𝗸𝗲𝗻𝗻𝗲𝗻 𝘂𝗻𝗱 𝘀𝗰𝗵𝗮𝘂 𝗗𝗶𝗿 𝗱𝗲𝗻 𝗩𝗶𝗱𝗲𝗼 𝗱𝗲𝗿 𝗚𝗲𝘀𝗰𝗵𝗶𝗰𝗵𝘁𝗲 𝗗𝗲𝗶𝗻𝗲𝗿 𝗠𝗲𝗻𝘀𝗰𝗵𝗲𝗻𝗿𝗲𝗰𝗵𝘁𝗲 𝗮𝗻 👉 [𝗩𝗜𝗗𝗘𝗢] Die Geschichte Deiner Menschenrechte
Dieser Artikel enthält Links zu den folgenden Beiträgen:
- [VIDEO] Die Geschichte Deiner Menschenrechte
- Gewalt in Partnerschaften hat 2020 weiter zugenommen
- Frauen nicht genug vor Gewalt geschützt
- Gewalt gegen Frauen: Jeden dritten Tag geschieht ein Femizid
- Als der Bundestag die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe beschloss
- Menschenrechte Kann Niemand Wegnehmen: Artikel 30 Auslegungsregel
- Menschenrecht 29: Verantwortung Und Grundpflichten